Kernprozesse im Krankenhaus optimieren - Design Thinking und Lean Healthcare erfolgreich kombinieren
Viele Herausforderungen im Gesundheitswesen sind nicht im Einflussbereich von Krankenhäusern und Kliniken selbst. Deshalb ist es umso wichtiger, den Fokus auf das Beeinflussbare zu setzen. Eine mächtige Möglichkeit dafür ist die gemeinsame Gestaltung von Arbeitsabläufen. Dieser Artikel zeigt das Potenzial sowie die Voraussetzungen für bessere Prozesse in Krankenhäusern.

Größere Veränderungen in Krankenhäusern sind anspruchsvoll und scheitern oft. Das hat mehrere Ursachen. Krankenhäuser sind typische Expertenorganisationen. Sie definieren sich über die fachliche Expertise. Dies spiegelt sich in den Aufbau- und Ablauforganisationen. Es ist nicht einfach, in die Strukturen der einzelnen Fachbereiche hineinzukommen und dort übergreifend, im Sinne des gesamten Krankenhauses, zu agieren. Die Fachbereiche haben sich über die Jahre selbst optimiert. Es sind kleine Unternehmen im großen Unternehmen. Jeder Bereich hat seine eigenen Kapazitäten und Ressourcen. Bei gemeinsam genutzten Ressourcen – wie beispielsweise im OP – kommt es daher oft zu Engpässen. Die Anreizsysteme sind so angelegt, dass der Konkurrenzkampf weiter befeuert wird. Das erschwert die Steuerung auf Ebene des Gesamtkrankenhauses. Denn alle Fachbereiche haben schwankende Auslastungen (Variabilität), welche sich gegenseitig verstärken. Die Komplexität von Expertenorganisationen, die aktuellen Anreizsysteme und die Variabilität im Patientenaufkommen sowie die Kombination dieser drei Ursachen machen Veränderungen im Krankenhaus sehr herausfordernd. Je größer das Unterfangen, beispielsweise die Harmonisierung von Abläufen über mehrere Fachbereiche hinweg, desto stärker wirken diese Ursachen. Verstärkt wird dies durch zwei Faktoren, welche in allen Industrien Veränderungen behindern: Der oft mangelnde Einbezug der mittleren Führungsebene und der grundsätzliche Widerstand gegenüber Veränderungen der ganzen Belegschaft (Mckinsey, 2021).
Gleichzeitig sind die Notwendigkeit und Dringlichkeit zur Veränderung für Krankenhäuser stärker denn je. Sie müssen sich effizienter aufstellen, fachübergreifend führbar werden und die gleiche strategische Marschrichtung haben sowie die vorhandenen Kapazitäten, wie Betten, OP-Slots, Sprechstunden, übergreifend besser nutzen. Dies nicht, um die Zitrone noch mehr auszupressen, sondern zum Wohl der Patientinnen und Patienten und der Mitarbeitenden.

Lean Healthcare und Design Thinking in Kombination
Um Prozess-Transformationen erfolgreich und nachhaltig zu gestalten, haben sich Herangehensweisen bewährt, welche inhaltliche und methodische Elemente vereinen. Prozessexpertise (Lean Healthcare) kombiniert mit Ansätzen zur Co-Kreation (Design Thinking) ermöglicht wirkungsvolle Veränderungen und adressiert die Ursachen, warum Veränderungen schwierig sind (Angermair & Schlunk, 2024). Wir sprechen von «Transformation», da es für «gute» Prozesse nicht nur gut durchdachte Arbeitsschritte braucht. Es braucht vielmehr auch ein Umfeld, dass diese unterstützt. Das können Teamstrukturen, Arbeitszeitmodelle, eine passende Infrastruktur oder digitale Unterstützungsmöglichkeiten sein. In den meisten Fällen bedingen sich mehrere Prozesse gegenseitig – die Qualität einer interprofessionellen Visite hängt beispielsweise stark von den vorhergehenden Übergaben innerhalb der Ärzteschaft und Pflege ab. Insgesamt sind also immer mehrere Elemente nötig, die wie Zahnräder ineinandergreifen sowie passende Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Veränderung – eben eine Transformation (vgl. Abbildung).
Zur Illustration des Vorgehens nutzen wir die Beispiele des Universitäts-Kinderspitals Zürich, des Luzerner Kantonsspitals, des LKH-Univ. Klinikums Graz und der Charité – Universitätsmedizin Berlin.
1. Analyse – gemeinsam vor Ort gehen
Der erste und ganz entscheidende Schritt: Gemeinsam die Aus- gangslage klären und das Vertrauen der Experten und Expertin- nen aller Berufsgruppen gewinnen. Dafür dient der «Gemba»- Ansatz. «Gemba» ist Japanisch und bedeutet: «Ort des Geschehens». Das Ziel dieses Analyseansatzes aus der Lean-Healthcare- Welt ist es, durch Beobachten von Abläufen und Nachfragen bei Mitarbeitenden zu verstehen, wie die Prozesse in einem Bereich funktionieren und warum. Bei den Beobachtungen liegt der Fokus auf dem Prozess aus Patientensicht. Der «Gemba» schafft eine fakten- und beobachtungsbasierte Bewertung der Ist-Situation, zeigt kurzfristige Verbesserungsmöglichkeiten auf und generiert Erkenntnisse für den Soll-Prozess.
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