Kapazitätsplanung: Wie viele Betten werden benötigt? Dürfen es auch ein paar mehr sein?
Bei Neubauten und Fusionen stellt sich früher oder später die Frage nach der Kapazitätsplanung. Oftmals ergeben sich daraus intensive Diskussionen. Gerade im stationären Bereich stellt sich die Frage: Wie viele Betten werden jetzt benötigt? Wie viele braucht es in 5 Jahren und wie viele in 15 Jahren?
Die Vertreter der einen Fachbereiche argumentieren mit steigenden Patientenzahlen und dem demographischen Wandel, der den Bettenbedarf ansteigen lässt. Vertreter anderer Fachbereiche betonen den Trend zur ambulanten Medizin und sind überzeugt, dass die Anpassung der Tarife in absehbarer Zeit den Trend verstärken wird. Die Politik moniert, dass nicht alle Häuser ihre Kapazitäten aufstocken können, ohne dass insgesamt massive Überkapazitäten entstehen. Ähnliche Fragen stellen sich im Falle einer Fusion oder der Zusammenlegung bzw. Neuausrichtung von Standorten.
Sobald man sich über einen Zielzustand einig ist, kommt die nächste Herausforderung: Was bedeutet das nun für die Übergangsphase? Welche Bettenanzahl brauchen wir zu welchem Zeitpunkt an welchem Ort? Wo können wir temporär oder längerfristig Stationen bestimmter Fachgruppen kombinieren?
Diese Fragen rechtzeitig zu beantworten, spart eine Menge Baukosten, ermöglicht einen geordneten Ablauf und schafft Klarheit für die Mitarbeitenden. Und noch wichtiger: Es ist letztlich die Basis für eine langfristig stabile stationäre Versorgung und hat einen wesentlichen Einfluss auf die Kostenstruktur im zukünftigen Betrieb.
Eine gemeinsame Diskussionsbasis schaffen
Es ist schwierig, den zukünftigen Bettenbedarf festzulegen, wenn schon bezüglich des IST-Zustands verschiedene Wahrheiten existieren. Gerade in grösseren Häusern erhält man unterschiedliche Antworten auf die Frage, wie viele Betten denn heute vorhanden sind. Was gilt nun tatsächlich als Bett? Werden Bettenstellplätze oder die eigentlichen Betten gezählt? Oder nur die betriebenen Betten? Welche Abteilungen zählen dazu, welche aus bestimmten Gründen nicht? Nochmals komplizierter wird es, wenn es um die Auslastung geht: Wann gilt ein Bett als besetzt? Wann treten Patienten typischerweise ein und aus? Zu welchem Zeitpunkt am Tag wird gezählt? Wie interpretieren wir Verlegungen? Und nicht zuletzt: Wie hoch ist eigentlich eine wirtschaftlich und medizinisch sinnvolle Auslastung? Ist diese für alle Fachbereiche gleich?
Drei verbreitete Irrtümer in der Analyse
Als erster Schritt muss eine gemeinsame, leicht verständliche Diskussionsbasis geschaffen werden, die auf Daten basiert. In der Analyse sehen wir aber oft drei Irrtümer:
1. Arbeit mit Durchschnittswerten
Leicht berechnet und einfach verständlich – es ist verlockend, mit Durchschnittswerten zu argumentieren. Wer diese Werte mit Pflege und Ärzteschaft auf stationären Abteilungen diskutiert, erkennt schnell: obwohl mathematisch korrekt, hat diese Zahl herzlich wenig mit der Realität im Tagesgeschäft zu tun. Es geht im Gegenteil genau um die Dinge, welche bei der Berechnung eines Durchschnitts unsichtbar gemacht werden: die Schwankungen, Minimal- und Maximalbelegungen sowie deren Häufigkeit. Kurz, es geht um die Variabilität und die Konsequenzen, welche sich daraus ergeben – beispielsweise, wenn eine Station voll ist und Patienten anders platziert werden müssen, ob intern oder extern.
2. Überschätzung von Extremsituationen
Belegungsschwankungen kommen regelmässig vor und Spitzenbelastungen müssen abgefangen werden. Wie oft diese Extremsituationen tatsächlich vorkommen, wird aber oft überschätzt. Die sogenannte „Verweigerungschance“ oder „Ablehnungswahrscheinlichkeit“ drückt aus, wie oft eine Station zu wenig Betten hat, um der Nachfrage zu entsprechen. Damit kann einerseits eruiert werden, an wie vielen Tagen in einem Jahr eine Station mit einer bestimmten Bettenanzahl ihre Maximalauslastung überschreitet. Andererseits kann berechnet werden, wie viele Betten im Haus oder auf einer Station benötigt werden, wenn man z.B. zu 95% der Zeit in der Lage sein will, Patienten aufzunehmen.
3. Vernachlässigung von kumulativen Effekten
Das Zusammenlegen von Stationen oder fachlichen Clustern kann Synergievorteile bringen. Es bringt jedoch auch das Risiko von erhöhter Variabilität: Gleichen sich die Schwankungen einer Abteilung oder eines Fachbereichs gegenseitig aus oder verstärken sie sich umso mehr? Diese Effekte gilt es zu antizipieren. Ansonsten läuft man Gefahr eine kumulative Verschlechterung zu forcieren.
Historische Belegungsvariabilität einer chirurgischen Station, Quelle: Ximius
Technische Hilfsmittel nutzen und Irrtümer verhindern
Technische Hilfsmittel gibt es einige, die im Rahmen von Kapazitätsmanagement eine neue Organisationslogik unterstützen. Vetterli Roth & Partners arbeitet mit bewährten Systemen und möchte den eigenen Partnern und Kunden Sicherheit in der Transformation bieten. Ein bewährtes Instrument, um die Analyse und Diskussion von Kapazitäten technisch zu unterstützen, ist der Bettenanalyser unseres Technologiepartners Ximius. Er unterstützt den Analyseprozess und die Dateninterpretation. Zudem zeigt er auf, welche Auswirkungen einzelne Entscheidungen haben können und unterstützt so den Veränderungsprozess.
Um die obengenannten Irrtümer zu verhindern, werden historische Anwesenheitsdaten der letzten Jahre verwendet. Anstelle von Mitternachtsstatistiken und Durchschnittswerten lässt sich die tatsächliche Belegungsschwankung von Tag zu Tag, von Stunde zu Stunde, analysieren. So wird sichtbar, wie viele Betten tatsächlich benötigt würden, um die Spitzenbelastungen aufzufangen. Darüber hinaus gibt der Bettenanalyser Hinweise, welche prozessualen Faktoren den Bettenbedarf treiben und wo freie Kapazitäten geschaffen werden könnten. So wird sichtbar, wie sich Aufnahmen und Entlassungen in den verschiedenen Bereichen überschneiden und welche Auswirkungen das hat. Verweildauern lassen sich einfach vergleichen und übermässige Abweichungen identifizieren. Spannend ist auch ein Abgleich der stationären Variabilität hinsichtlich Belegungszahlen und Verweildauern mit der OP-Planung. Nicht selten wird die Auslastung in der stationären Nachbetreuung bei der OP-Planung kaum berücksichtigt und dadurch vermeidbare Nachfrageschwankungen kreiert, die wiederum den Gesamtbedarf an Betten erhöhen.